Im November


Das Handeln entspringt nicht dem Denken, sondern der Bereitschaft zur Verantwortung.
Der letzte Test für eine moralische Gesellschaft ist die Art der Welt, die sie ihren Kindern hinterlässt.
Dietrich Bonhoeffer

Dieser Satz –  im Sommer zufällig aufgelesen – hat mich angesprochen. Er spricht mir aus dem Herzen und hat für mich auch mit Schweizer Kultur zu tun.

So wurde ich von Oksana, Mariia und Sofiia verwundert beobachtet, als ich auf dem Hundespaziergang nicht nur das Geschäft im Plastiksäckchen mitnahm, sondern auch gleich noch die achtlos in den Wald geworfene Bierbüchse. In der Millionenstadt macht man das nicht. – Mag sein, aber hier fühle ich mich ebenso verantwortlich für den Wald, durch den ich spaziere, wie für die vielen kleinen und grossen Handlungsmöglichkeiten, die ich ergreife oder nicht.

Seit 8 Monaten wohnen Oksana, Sofiia und Mariia in Zuzwil. Sofiia hat nach den Sommerferien mit der ersten Klasse begonnen und Mariia ist in die 5. Klasse
eingetreten. Die englische Verständigung wird zunehmend mit Deutsch erweitert. Und der Hund erhält Befehle in akzentfreiem Berndeutsch. Eine grosse Leistung dafür, dass hier halt auch nach Monaten alles anders ist als zu Hause, dass anderen Dingen Bedeutung beigemessen wird und das Heimweh nach dem Vater und der geborgenen Vertrautheit zehrt. Mit den Grosseltern Ivan und Liudmilla, hat die Familie ein Stück Heimat gewonnen. Die Suche nach einer möglichen Arbeit und sinnvoller Aufgabe stellt eine Herausforderungen dar. Ivan hilft gerne im Garten, repariert fachkundig Werkzeuge und ist als ehemaliger Taxifahrer an lange Autofahrten und Verkehr gewohnt. Er besucht intensiv Deutsch-Sprachkurse und kann sich mit Übersetzungstools verständigen. Liudmillas wacher Blick und ihre Lebenserfahrung schafft die Verständigung über die Sprachgrenze hinweg. Zuletzt hat sie an der Universität Kiew in der Buchhaltung gearbeitet.

Im November meldet sich in uns vielleicht das Bedürfnis nach Rückzug. Alle sind wir diesen Krieg längst müde geworden und mögen nicht mehr täglich die aktuellen Ereignisse verfolgen. Die Berichterstattung in den Medien ist auch zurückhaltender geworden. Da wir hier auf einen tragenden Alltag zählen können, können wir das Geschehen in der Ukraine auch einfach auszublenden. Wenn aber alles am Alltag daran erinnert, dass der Krieg andauert, kann der November noch schwerer werden. Danke für die warmen Kontaktangebote aus dem Dorf, die vielleicht gerade jetzt besonders wichtig sind.

Und für intressierte an Dietrich Bonhoeffer:  https://www.youtube.com/watch?v=wnhL1W9dj1w